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Wissenschaftler haben schon lange keine Zweifel mehr: Die Gebärdensprachen sind vollwertige Sprachen, genau wie beispielsweise Deutsch, Englisch oder Russisch. Sie erfüllen alle Kriterien - nur werden ihre Elemente eben mit Händen, Mimik und Körper ausgedrückt und nicht mit Mund, Kehlkopf und Nasenrachenraum.

Lange Zeit dachte man, dass dieser Unterschied in der Modalität - die visuelle Natur der Gebärdensprachen bzw. akustische Übertragung bei Lautsprachen - sich auch im Gehirn des Menschen widerspiegeln würde. Bei Unterhaltungen in Gebärdensprache erwartete man also Hirnaktivitäten in den Zentren für Motorik (die Bewegung der Hände) und visuelle Wahrnehmung. Doch erstaunlicherweise lieferte die Forschung ganz andere Ergebnisse. In einem Artikel (*), den Olaf für die Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" aus dem Amerikanischen ins Deutsche bzw. aus der American Sign Language in die Deutsche Gebärdensprache übertragen und für dessen Fotos Claudia Modell gestanden hat, erläutern die Kognitionswissenschaftler Gregory Hickok, Ursula Bellugi und Edward S. Klima die Resultate ihrer jahrelangen Studien.

Die drei Forscher und ihre Arbeitsgruppen untersuchten Patienten, deren Sprachfähigkeiten durch Hirnschädigungen gestört waren. Bei Hörenden hatte man zuvor auf diese Weise zwei Areale identifiziert, die wesentlich am Sprechen (Broca-Areal) oder Hören (Wernicke-Zentrum) beteiligt sind. Zu ihrer Überraschung stellten Hickok, Bellugi und Klima fest, dass bei Gehörlosen mit Kommunikationsproblemen genau dieselben Hirnbereiche defekt waren wie bei Hörenden - obwohl die Gebärden eine visuelle Verständigungsform sind.

Waren dagegen die Zentren für visuell-räumliche Fähigkeiten geschädigt, hatte das keine Auswirkungen auf die Gebärdensprache der gehörlosen Patienten. Zwar konnten sie keine erkennbaren Zeichnungen mehr anfertigen oder fertige Bilder richtig erkennen, aber sie kommunizierten weiterhin sehr effektiv in Gebärden. Diese und weitere Untersuchungen führen die Wissenschaftler zu dem Schluss: "In jedem Fall machen die Studien an Patienten mit Hirnläsionen deutlich, dass die Unterschiede zwischen gesprochener und Gebärdensprache allenfalls gering sind - falls sie überhaupt existieren.

Das gleiche sagen auch andere Forscher, die mit modernen Verfahren sichtbar machen können, welche Hirnzentren in gesunden Menschen bei bestimmten Aufgaben aktiv sind. Offensichtlich ist es dem Gehirn egal, auf welche Weise die Information übertragen wird: Sprache ist einfach Sprache, ob sie nun gebärdet oder gesprochen wird.

(*) "Sprechende Hände" in Spektrum der Wissenschaft, Oktober 2001, Seite 46-53

Lektion1
Mehr als nur fliegende Hände

Lektion2
Lebendige Gesichter

Lektion3
Das Fingeralphabet

Lektion4
Sich vorstellen

Lektion5
Grundelemente von Gebärden

Lektion6
Wie geht's?

Lektion7
Hin und her

Lektion8
Ein kurzer Blick zurück

Lektion9
Eine vollwertige Sprache

Lektion10
Gehörlosenkultur

Lektion11
Wo geht es weiter?

Schnupperkurs Deutsche Gebärdensprache

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